Dorothee Schneider: „Übergänge sind das Lebenselixier der Durchlässigkeit“
Mannschaftsolympiasiegerin gibt auf dem CHIO Aachen CAMPUS exklusive Einblicke in das tägliche Training mit ihren Pferden.
Frage: Warum macht Ihnen die Arbeit mit jungen Pferden so viel Spaß?
Es ist etwas ganz Besonderes, ganz individuell mit jedem einzelnen Pferd zu arbeiten und einen langen, gemeinsamen Weg zu gehen. Wir fühlen jeden Tag neu in ein Pferd hinein, da baut sich eine tiefe Verbindung auf. Das fasziniert mich einfach.
Frage: Worauf achten Sie, wenn Sie junge Pferde anreiten?
Ein wichtiger Faktor ist das Exterieur. Wie weit ist das Pferd körperlich? Kann es sich überhaupt schon ausbalancieren? Daran wird das Training individuell angepasst. Auch vor dem ersten Turnierstart muss das Pferd mir vorher die Rückmeldung geben, dass es körperlich bereit ist. Wichtig ist auch, die mentale Stärke zu überprüfen. Dazu kann man zum Beispiel mal auf einen anderen Reitplatz zum Training fahren.
Frage: Woran erkennen Sie bei einem jungen Pferd das Potential für den Spitzensport?
Spaß an der Bewegung und eine hohe Motivation sind unumgänglich. Außerdem sind mir gute Grundgangarten und ein aktives Hinterbein besonders wichtig.
Frage: Wie sieht eine übliche Trainingswoche bei Ihnen aus?
Natürlich ist das für jedes Pferd individuell, aber in der Regel trainiere ich zwei Tage in Folge Lektionen, dann mache ich einen Tag etwas anderes, zum Beispiel galoppiere ich dann draußen im leichten Sitz oder gymnastiziere das Pferd nur ein wenig. Darauf folgen dann wieder zwei Tage intensives Training. Wichtig sind aber auch die regelmäßigen Auszeiten auf dem Paddock oder der Wiese. Ein Pferd muss schließlich auch mal chillen und sich frei bewegen dürfen. Grundsätzlich ist es mir immer sehr wichtig, Abwechslung zu schaffen. Mal an der Longe, mit Trabstangen oder an der Hand zu arbeiten, damit das Pferd motiviert bleibt.
Frage: Viele kennen das Problem, dass das Pferd „klemmt“, also den Schenkel nicht richtig annimmt. Was sind Ihre Tipps?
Bei klemmigen Pferden macht der Reiter schnell den Fehler, dass er mit dem Schenkel die ganze Zeit drückt, aber das verstärkt das Problem eher. Wichtig ist, dem Pferd mit dem Schenkel nur einen Impuls zu geben, das Pferd quasi einmal kurz anzuschubsen. Wenn eine Reaktion erfolgt, sollte es sofort gelobt werden.
Frage: Wie bereiten Sie Pferde auf Lektionen vor?
Bevor ich Lektionen reite, müssen zwei Dinge gegeben sein: Rhythmus und Durchlässigkeit. Dafür reite ich viele Übergänge, denn sie schulen die Aktivität der Hinterbeine. Übergänge sind das Lebenselixier der Durchlässigkeit. Auch Tempounterschiede eignen sich gut, um den Rhythmus zu fördern. Wichtig ist auch die Geraderichtung: Um zu überprüfen, ob mein Pferd auf einer Linie bleibt, reite ich gerne auf dem zweiten Hufschlag.
Frage: Mein Pferd ist bei den Seitengängen noch nicht so sicher. Wie kann ich das trainieren?
Da beginne ich stets mit dem Schulterherein, gerne auch auf dem zweiten Hufschlag, damit das Pferd nicht an der Bande „klebt“. Wichtig ist dabei: Nur so viel Stellung, wie wir es in der Rippe biegen können. Dann leite ich die Traversale ein, ein paar Tritte reichen zu Beginn, und beende die lange Seite wieder mit dem Schulterherein. So kann das Pferd seine Balance wiederfinden. Und auch dabei sollten Immer wieder Übergänge eingebaut werden, um das Hinterbein aktiv zu halten.
Frage: Wie übe ich den fliegenden Wechsel bei einem jungen Pferd?
Die Vorbereitung des Wechsels ist das A und O. Erst einmal muss der Galopp stimmen, ein Wechsel ist nur so gut wie der Galopp selbst. Wenn der Rhythmus stimmt, wähle ich Linien wie „Durch die halbe Bahn wechseln“ oder „Aus der Ecke kehrt“, damit ich ausreichend Platz vor der nächsten Ecke habe. Dann reite ich zunächst einen stabilen Außengalopp und baue Kontakt zum Hinterbein auf, bevor ich den Wechsel auslöse. Wichtig ist, ein Wechsel im Geradeaus, nicht gestellt in der Ecke. Und, dabei kommt es auch immer auf ein geeignetes, gleichmäßiges Tempo an.
Fotos: Melina Braun